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Religion als wahnhafte Neurose?

"Die Religion kann man betrachten als eine einzige Geschichte des Wahnsinns." (Eugen Drewermann, 5.11.2006 im ZDF-Nachtstudio)

"Je größer der Dachschaden, desto schöner der Aufblick zum Himmel." (Karlheinz Deschner)

Gottesvergiftung

Ich lasse dieses Zitat aus Tilman Mosers "Gottesvergiftung" für sich sprechen:

Lieber Gott, ... Du bist in mich eingezogen wie eine schwer heilbare Krankheit, als mein Körper und meine Seele klein waren ... Indem ich dir zeige, wie du als Krankheit in mich eingezogen bist, und als Krankheit fast über mich hinweggewachsen warst, hoffe ich, mich ein Stück weit von dir heilen zu können. Ich weiß, daß du in den Narben, falls ich dich aus mir vertreiben kann, bis zu meinem Tode hausen wirst. Sie werden mich beißen, und du wirst mich noch mit Phantomschmerzen quälen, wenn du längst wegamputiert bist. Ein Teil meines Hasses auf meine Familie rührt daher, daß sie mir die Gotteskrankheit eingegeben hat. Du wurdest mir eingeträufelt, kaum daß die ersten Zeichen der Empfänglichkeit, der Verwundbarkeit sichtbar wurden. Das Anwachsen der Krankheit wurde, alter Familientradition gemäß, mit Freude betrachtet. Sie haben das Wuchern der Tumore in meiner Seele nach dem Kalender des Kirchenjahres verfolgt und gefeiert. Die Feste waren die Höhepunkte des Krankheitsverlaufs. ... "Herr erhebe dein Antlitz über uns...", so haben wir am Ende jedes Gottesdienstes gefleht, als gäbe es keine größere Sehnsucht, als immerzu dein ewig-kontrollierendes big-brother-Gesicht über uns an der Decke zu sehen. Du als Krankheit in mir bist eine Normenkrankheit, eine Krankheit der unerfüllbaren Normen, die Krankheit des Angewiesenseins auf deine Gnade, die von beamteten Herabflehern zusätzlich zu meinem Geflehe bei dir erbettelt werden mußte. ... Du hast mir so gründlich die Gewißheit geraubt, mich jemals in Ordnung fühlen zu dürfen, mich mit dir aussöhnen, mich o.k finden zu können ... ich weiß von Patienten, Freunden und Bekannten, daß du für Millionen noch immer die schlimmste Kinderkrankheit bist, die man sich denken kann, in vielen Fällen unheilbar, ansteckend vor allem für Kinder und Kindeskinder. ... Du gedeihst in den Hohlräumen sozialer Ohnmacht und Unwissenheit. Du blühst aus der Lebensangst meiner Vorfahren, aus allem Unverstandenen, das sie heimgesucht hat, vor allem aber: aus ihrer Ungeborgenheit, aus ihren seelischen Entbehrungen, gegen die sie dich wie eine riesige Plombe in einen faulenden Zahn gesetzt haben. ... Dich überstanden zu haben gibt mir Selbstbewußtsein; von der riesigen Krücke nicht erschlagen worden zu sein. ...

Aus: Tilmann Moser, Gottesvergiftung. Suhrkamp 1976.

"Neurose" und "Wahn"

Ich versuche mich mal in eigenen, einfachen Definitionen:

Unter "Neurose" verstehe ich den krankhaften (jedenfalls nicht wirklich gesunden) Zustand, wenn man - gegen das eigene bessere Wissen oder Verständnis - auf eine bestimmte störende Art fühlen, denken oder handeln muss. Dieser Widerspruch führt unweigerlich zu inneren Konflikten, die in der Konsequenz zum Leiden an der eigenen Persönlichkeit führen. Das "bessere Wissen oder Verständnis" bleibt aber größtenteils erhalten.

Unter "Wahn" ("Psychose") verstehe ich die Steigerung des o. g. Zustands dahingehend, dass der Betroffene zumindest starke Einbrüche in das genannte "Wissen oder Verständnis" erleidet. Der Konflikt zwischen dem besseren Wissen oder Verständnis und dem, was da störend dagegen steht, wird eindeutig zu Gunsten des Störenden entschieden. Der betroffene Mensch wird "verrückt", der vielleicht noch rettende Anker des "Eigentlich-Besser-Wissens" geht ihm verloren.

Zwischen beiden Störungen gibt es Übergangsformen, auch in der Art, dass jemand zeitlich oder situationsbedingt, vielleicht bedingt durch soziale Faktoren, von einem zum anderen wechselt.

Unter "wahnhafter Neurose" verstehe ich den Grundzustand einer Neurose, der von Fall zu Fall wahnhaften Charakter annimmt. Das wäre also eine solche Übergangsform, ein Zwischending mit wechselndem Charakter wie oben bezeichnet.


Modelle, Theorien und Therapien des Wahns in der Psychopathologie und Psychotherapie
Wikipedia: Wahn
"Der Begriff Wahn bezeichnet eine menschliche Überzeugung, die
I. logisch grob inkonsistent ist oder wohlbestätigtem Wissen über die reale Welt widerspricht und
II. trotz gegenteiliger Belege aufrechterhalten wird, weil die persönliche Gewissheit der Betroffenen so stark ist, dass sie rational nicht mehr zugänglich sind." (Quelle leider unbekannt)

Religiosität

Religiosität kann man sehen als Anlage zu einer Erkrankung. Wahrscheinlich zum Teil erblich. So wie Suchtgefährdung oder die Anlage zu Hautausschlägen. Und so gesellschaftlich akzeptiert und dadurch unauffällig wie die Suchtgefährdung zum Alkoholismus.

Religiosität als Bereitschaft zur Religion ist vielleicht nur der kleine neurotische Bruder des psychotischen Wahns, aber auch kleine Brüder können viel Unheil anrichten...

Religiosität als Grenzfall-Syndrom: An der Grenze zwischen Neurose und Psychose, mal mehr der "normale" Gefühlswirrwarr, mal voller Phantasievorstellungen, die für real gehalten werden, also psychotische Wahnvorstellungen. Religiosität pendelt um einen Nullpunkt, der von einem Kabarettisten in etwa so charakterisiert wurde: Fromm ist einer, der mit Gott redet, aber wenn Gott mit ihm redet, ist es eine Psychose...

Natürlich haben viele nette Atheisten eine Scheu, Religiöse so zu kategorisieren. Aber sind Neurosen und Psychosen so etwas besonderes? Unsere Welt ist alles andere als einfach. Wir leben in einer Gesellschaft voller Kauf-, Arbeits-, Spiel-, Sex-, Fress- und Sonstwas-Süchtiger, voller Kleptomanen, Pyromanen und Sonstwas-Manen. Von den völlig angepassten Irrsinnsformen und den wirklich schlimmen Krankheiten nicht zu reden. Da ist auch Platz für das bescheidene Syndrom Religiosität...

Krasse Ausbrüche des Irrsinns


Nicht immer bleibt der Wahn im verträglichen Rahmen...

Aum-Sekte

Am 20. März 1995 setzte die japanische Aum-Sekte in mehreren U-Bahnhöfen giftiges Gas (Sarin) frei. Elf Fahrgäste starben und über 5500 Menschen wurden verletzt. Man kam den Tätern u. a. deshalb relativ schnell auf die Spur, weil die abartige Brutalität des Anschlags richtigerweise sofort als Kriterium für religiöse Motivation verstanden wurde.

Zitat aus der "Zeitschrift für japanisches Recht":
"Mehrere Leute vermuteten jedoch schon zu diesem Zeitpunkt, daß auch der Sarin-Anschlag von der AUM-Sekte begangen worden sei: ..., weil diese Tat so abnorm war, daß sie nur von Überzeugungstätern mit religiösem Hintergrund begangen worden sein konnte, ..." Das Zitat stammt von hier

Hier bei Wikipedia steht zum Thema "Lehre" der Aum-Sekte:
Ihre Lehre ist geprägt von Weltuntergangsverkündigungen und eine Mischung aus Pseudowissenschaft, Nostradamus-Weissagungen, esoterischem Buddhismus und chiliastischem Christentum; aber auch Elemente aus dem Foundation-Zyklus des Science-Fiction-Schriftstellers Isaac Asimov werden verwendet. Die zentrale Gottheit für die Sekte ist der Hindugott Shiva, und wahre Erleuchtung ist nur innerhalb der streng abgeschlossenen Sektengemeinschaft möglich. Die "äußere Welt" wird als korrupt und verdorben betrachtet und muss notfalls gewaltsam bekämpft werden. Einer der zentralen Punkte der Aum-Doktrin ist die kontroverse buddhistische Vorstellung von poa: Unter bestimmten Bedingungen kann demnach ein Mord sowohl das Opfer als auch den Täter der Erleuchtung näher bringen.

Also eigentlich: Nichts besonderes! Es reiht sich ein in den üblichen Erfolg versprechenden Mischmasch, wie er auch in anderen religiösen Gemeinschaften anzutreffen ist... Es ist nebenbei ein Beispiel dafür, wie auch aus nicht-theistischen Religionen Unheil erwachsen kann.

Die Majas

Die Majas opferten Menschen, schnitten ihnen die Herzen heraus, um diese den Göttern darzubieten. Dies war in ihrer Religion die Erfolg versprechende "Technik", um den unbedingt nötigen Regen herbeizuschaffen.
...

Hexenverfolgungen

s. Wikipedia-Artikel
...

Das Beten

"Wenn ich mit Gott spreche, heißt das Gebet. Wenn Gott mit mir spricht, heißt das Psychose! – Warum?"

(Eckart von Hirschhausen, Mediziner und Kabarettist )

In der Tat: Sieht man jemanden im Stadtpark, der mit seinen Engeln zu sprechen scheint, und trägt der vielleicht noch abgerissene Kleider, dann besteht eine starke Tendenz, denselben als psychiatrisch zu Behandelnden einzuordnen. Wo aber ist der Unterschied zum "handelsüblichen" Gebet? Doch nur in nicht wirklich berechtigter gesellschaftlicher Akzeptanz, also in der Toleranz, die letztlich durch Gewöhnung entsteht...

Beten ist wie in den Fernseher hinein winken.


Online-Zustand mit dem Vater

bushpray.gif Kleine Bildmeditation:

Wenn sich George W. im Online-Status mit seinem zentralen Server dort oben befindet: Welche kleinen oder großen Privatoffenbarungen glaubt er dann zu empfangen? In unser aller Interesse: Hoffentlich ist seine Hardware dem göttlichen Datenstrom gewachsen! Und hoffentlich fängt er sich keinen Virus ein! (Man könnte schon meinen, er würde manchmal von einem höllischen Hacker angepingt...) Das Schicksal der ganzen Menschheit hängt am Gelingen dieser Datenübertragung - mein Gott!
(Nachtrag bei der Lektüre von Julian Jaynes, Der Ursprung des Bewusstseins: Vielleicht zeigt das Bild einen Staatslenker alter Mentalität im bikameralen Onlinestatus mit dem rechtshemisphärischen Server in seinem eigenen Gehirn. Betende haben häufig einen verkrampften Gesichtsausdruck, so als wollten sie etwas "auswringen". Ist das eventuell die Anstrengung, aus der rechtshemisphärischen Datenflut etwas zu erzeugen, das vom Linkshirn sinnvoll verstanden werden kann?)

Gebet eines Atheistenkinds - Regression?

Lieber guter Weihnachtsmann,
  schau mich nicht so böse an,
    stecke deine Rute ein,
      ich will auch immer artig sein,
Amen.


Ja, Kindern darf man sowas zugestehen. Die sind nicht verrückt sondern eben auf einer kindlichen Entwicklungsstufe. Sind Religiöse dies vielleicht auch "nur": auf einer kindlichen Entwicklungsstufe stehen geblieben? Ist Religiosität - wenn sie bei Erwachsenen auftritt - vielleicht "nur" eine Entwicklungsstörung, eine "Fixierung"? Handelt es sich um ein - evtl. durch Stress ausgelöstes - Zurückgreifen auf frühere Entwicklungsstufen? (... als das Wünschen noch geholfen hat?) Das Wiederaufnehmen kindlicher Denk- Fühl- und Verhaltensmuster ("Regression" genannt) ist eine bekannte Reaktion auf starken Stress. Man kann es - grob gesagt - so verstehen, dass ein in Entwicklung befindliches Lebewesen, wenn bei seinem "Ertasten" seiner Möglichkeiten einen starken Misserfolg als Stress erlebt, ein ganzes Stück seiner Entwicklung verwirft und Anschluss sucht an eine frühere, anscheinend erfolgreichere Entwicklungsstufe. Handelt es sich bei Religiosität vielleicht um ein solches Element von Regression?

Der Wahn hat Methode (bauernschlaue Haltung)

"Beten heißt, den Himmel melken wollen." (Irgendwo auf www.humanist.de, s. unten: externe Links)

Das Dankgebet: Futter für die Kuh, auf dass sie auch in Zukunft Milch gebe.
Bauernschlauheit ist nicht nur Dummheit sondern Dummheit gepaart mit einer ganz speziellen Form von Schlauheit, die aus der Berücksichtigung der eigenen Dummheit hervorgeht: "Vielleicht nützt es ja doch was, schaden kann es jedenfalls nicht!" Das freilich ist alles andere als wahnhaft...

Schülerleins Nachtgebet

Lieber Gott mach mich fromm,
daß ich weit nach oben komm,
hilf mir meinen Mund zu halten,
vor den irdischen Gewalten,
laß mich nicht zu tolerant sein
und ein bißchen Intrigant sein,
daß mich der Herr Pfarrer liebt
und mir Heiligenbildchen gibt.

Lieber Gott mach mich kalt,
daß ich nie zu Schwachen halt,
hilf mir Treue vorzuheucheln
und den Mächtigen zu schmeicheln,
laß mich nicht an Dogmen zweifeln
und mich hüten vor den Teufeln,
die stets alles kritisieren
und des Lehrers Gunst verlieren.

Lieber Gott mach mich dumm,
daß ich niemals frag warum.
Hilf mir stets das eigne Denken
auf den Alltag einzuschränken,
vor Geboten mich zu ducken,
gegen Zwang nicht aufzumucken,
dann schaff's ich mit dieser Tour
sicher bis zum Abitur.

Lieber Gott mach mich fromm,
daß ich weit nach oben komm.
Laß mich stets ein dumpfer Christ sein,
nie ein grüner Anarchist sein.
Ich will statt zu demonstrieren
an Fronleichnam mitmarschieren.
Hilf mir nirgends anzuecken,
alle Stiefel blank zu lecken,
dann werd ich, das hoff ich sehr,
einmal Fernsehredakteur.

(Dieter Hildebrandt, aus einem Scheibenwischer von 1988)
Auf Volkers Homepage: Die Falle des Betens
Denk- und Wahrnehmungsfalle:
Es läuft derselbe Mechanismus ab, den man auch sonst von der Entstehung des Aberglaubens kennt...

Der wahnhafte Erkenntnisweg der Offenbarung

Offenbarung ist, wenn es einem "der Herr" direkt kund getan hat. Dass "Gott" zu den Menschen normalerweise nicht spricht, ist eine Erfahrung des gesunden Menschenverstands. Folglich muss es, wenn er es doch tut, ganz besonders wichtig sein.

Der, dem die Gnade der Offenbarung zuteil wird, bekommt dabei auch ein Stück von dieser Wichtigkeit ab, - was den Rang des Offenbarungs-Empfängers in den Augen naiver Menschen heben kann und eventuell dazu führt, dass man ihm die Sache abnimmt.

Leute, die nicht einfach Lügner, Wichtigtuer oder leidenschaftliche Propheten sind, aber trotzdem Offenbarungen haben (davon gibt es eine ganze Menge!), bekommen heutzutage in einfachen Fällen Neuroleptika, in schweren Fällen werden sie in die Psychiatrie eingewiesen. Die Sache ist heute gut heilbar.

Früher war das ganz und gar nicht so. Geisteskrankheiten bzw. entsprechende Grenzphänomene waren unerklärlich und wurden deshalb häufig dem Bereich des Übersinnlichen bzw. Göttlichen zugeschrieben...

Ein paar neuere Beispiele:

Beispiel # 1

Der "bescheidene Musiklehrer und Komponist" Jakob Lorber, in Kanischa (Untersteiermark) als Kind einer Winzerfamilie (!) geboren, "hatte am 15. März 1840 um 6 Uhr morgens gerade sein Morgengebet verrichtet und war im Begriffe, sein Bett zu verlassen, da hörte er links in seiner Brust an der Stelle des Herzens, deutlich eine Stimme, die ihm zurief: “Steh’ auf, nimm deinen Griffel und schreibe!” ..."

Jakob Lorber und die "Neu-Offenbarung"

Beispiel # 2

Der neuapostolische "Stammapostel" Bischoff, Oberhirte und direkter Ansprechpartner Gottes auf Erden, erfreute die Seinen 1955 mit der Mitteilung, der Herr habe ihm offenbart, dass er nicht sterben sondern zu Lebzeiten gen Himmel fahren werde. (Und zwar zusammen mit einer limitierten Anzahl Rechtgläubiger, ich glaube, es war die Rede von 144.000.)

1960 starb er dann aber doch...

Es gibt eine Website von kritischen (Ex-)Neuapostolischen, wo dies dokumentiert wird. (Einer der neueren Stammapostel hat geäußert, das Wort "Kritik" komme nirgends in der Bibel vor, und folglich auch nicht bei den Neuapostolischen. Auch er irrt.)

http://waechterstimme.tripod.com/in-botsc.html

Beispiel # 3

Der berüchtigte Serienmörder Peter Sutcliffe, der "Yorkshire Ripper", hat in den späten siebziger Jahren dreizehn Frauen ermordet, sieben schwer verletzt. Er berief sich darauf, dass er Gottes Stimme gehört habe, um seine Morde zu begehen. (hier nachlesbar) Auch dies erfüllt genau die Kriterien des Begriffs "Offenbarung".

Hier der ausführliche engl. Bericht

Offenbar nicht für alle

"Offenbarung ist das, was offenbar ist. Ist es nicht offenbar für alle, dann ist es zweifelhaft und sollte auch so genannt werden und nicht als "Offenbarung" bezeichnet werden. Das einzig offenbare daran ist die Zweifelhaftigkeit."

Und wie schaffen es die Religionsfunktionäre, etwas das offenbar nicht für alle offenbar ist, möglichst allen als Offenbarung zu verkaufen? Offenbar am effektivsten mit Drohungen...

"Jede Offenbarung stammt von fehlbaren Menschen und muss mühsam interpretiert werden, von jedem ein wenig anders. Auf diesem Fundament eine absolute Wahrheit errichten zu wollen bedeutet, auf Sand zu bauen. Man muss schon mit Strafen drohen, damit das jemand für eine gute Grundlage hält. Von alleine käme niemand auf diese Idee."

V. Dittmar, Gedankensplitter

Elektromagnetische Offenbarung

Ein neuro-psychologischer Ansatz, dem Phänomen "Offenbarung" auf die Spur zu kommen:

Neuro-Theologie Durch Reizung bestimmter Gehirnareale kann man "göttliche Eingebungen" künstlich erzeugen, ein Hinweis auf die eigentliche Quelle religiöser Erlebnisse. Bei bestimmten Menschen (z. B. einer bestimmten Art von Epileptikern) scheint es so zu sein, dass bestimmte Gehirnareale "durchlässig" für Signale sind, die eigentlich nicht für das betreffende Areal "gedacht" sind. (Die Aussage "Jemand ist nicht ganz dicht" bekommt so wieder einen Sinn.)

Rituelles

Auffällig: Alle Religionen haben ausgeprägte Riten! Um den Göttern zu gefallen und um das Religionsvolk zu beeindrucken, müssen die Religionsfunktionäre zu bestimmten Zeiten ganz bestimmte Kleider anziehen, um sodann ganz bestimmte Handlungen, oft mit geheimnisvoll  archaischem Werkzeug zu vollführen. Diese Handlungen sind oft kompliziert, langwierig, und muten gelegentlich verrückt an.

Das muss auch so sein, denn gerade durch die Mischung von offenbar genau Bestimmtem und gleichzeitig kaum zu Verstehendem überzeugt die Priesterkaste das gemeine Volk von ihrer angeblichen Handlungskompetenz im Umgang mit den unberechenbaren Göttern. Damit belegen sie ihre eigene Daseinsberechtigung als Kapitäne im Ozean des (allerdings selbst erzeugten) Wahnsinns. Die Kenntnisse darüber, wie mittels Riten erfolgreich mit dem Numinosen umzugehen sei, sind priesterliches Herrschaftswissen!

Riten, die vom Volk zu vollziehen sind, dürfen hingegen einfacher sein. Hier geht es zum einen hauptsächlich um das Ableisten von Untertänigkeit den Göttern und deren Funktionären gegenüber. Es geht ums Einüben gehorsamen Mitmachens ohne kritisches Hinterfragen. Diese Riten dürfen ruhig auch ziemlich verrückt sein. Etwas Verrücktes zu erfüllen ist eine gute Übung gegen die eigene Vernunft und ein starker Beweis der Unterwerfung...

Zum anderen ist ein Merkmal des Rituellen die Sicherheit, die vom immer Gleichen einer gelernten Handlung ausgeht. So wie in der Kindererziehung: etwa beim abendlichen Zu-Bett-Geh-Ritus. Hier geht es um das Abstellen von Handlungs-Unsicherheit, aus der Zweifel an der Richtigkeit der religiösen Vorstellungen und Vorschriften entstehen könnten. Das Mittel hierzu ist das Aufbauen von Gewohnheiten ohne Verständnis für das eigentliche Warum. Letztlich geht es bei den Riten also auch um Dressur und Gleichschaltung in einer Gemeinschaft. (Diese Funktion des Rituellen beschränkt sich selbstverständlich nicht auf religiöse Gemeinschaften. Sie ist genauso bei Parteien, Vereinen, usw. zu finden.)

Fasching im Irrenhaus

Geistige Zerrüttung führt ins Sanatorium, geistliche Zerrüttung in die Kirche. ...



Wenn man das merkwürdige Gescheppere und Getue, die nach irgend einem zwanghaften System agierenden Gestalten mit ihren bunten Fantasiegewändern und albernen Papphüten sieht, wie könnte man da übersehen, welch auffällige Ähnlichkeit besteht zwischen heiliger Messe und sagen wir mal einer Faschingsveranstaltung im Irrenhaus.

Religiöse Verdauung

Paradebeispiel für ein wahnhaftes Ideologieelement

Zum Sakrament der Eucharistie, dem sogenannten Abendmahl: Wenn ich es nur einigermaßen richtig verstehe, dann sind Katholiken dazu verpflichtet zu glauben, dass sie das "Fleisch des Herrn" ganz real fressen, dass sie das "Blut Christi" ganz real, - nicht etwa symbolisch! - trinken, eigentlich eine völlig verrückte Sache, aber offensichtlich ein erfolgreiches Mysterium:

"Ausgangspunkt der Zeremonie ist zunächst nichts Besonderes, eine schnöde Oblate, die ohne weiteres auch als Boden einer Kokosmakrone enden könnte. ... In der Kirche unterliegt diese Oblate aber einem bemerkenswerten Verwandlungsprozess (die Kirche spricht hier von "Transsubstantiation" ...). Während der Priester sein Verslein spricht, wird aus der vegetarischen Oblate eine fleischhaltige Hostie, die zwar weiterhin verdächtig nach Oblate schmeckt, in Wirklichkeit aber - Verzeihung, aber so will es nun mal die katholische Glaubensüberzeugung! - aus den Innereien, pardon: dem Leib des Heilands besteht. ... Dies allein wäre schon einigermaßen verwunderlich, aber es kommt noch besser: Nachdem die Christen in einem rituell-kannibalischen Akt ... (den sie "Kommunion" nennen) Jesu Leib verspeist haben, scheint sich der Prozess der Sakralisierung der Hostie im Magen der Christen wieder umzukehren. Aus Jesu Leib resultieren hundertprozentig säkulare Ausscheidungen ..., was im übrigen höchst vorteilhaft ist, da Sie diese später ohne Bedenken mit der Wasserspülung Ihres Klosetts entsorgen können. (Würden Sie das Gleiche mit einer Hostie machen, würden Sie durch die infame Verletzung eines heiligen Sakraments eine schlimme Sünde begehen...)"

Dies ist zitiert aus:

http://www.schmidt-salomon.de/muenzel1.htm

Wahn gegen Wahn

Wahn als Erkrankung ist nicht lustig. Ein gewisser Prozentsatz (es werden um die 10% sein) aller Menschen erlebt einmal oder mehrmals im Leben Halluzinationen, hauptsächlich akustische, seltener optische. Stimmenhören und Geistersehen gibt es seit jeher, manchmal ausgelöst durch Stress, bei manchen Menschen durch eine mehr oder weniger ernste Erkrankung des Gehirns: Psychosen, Schizophrenie... "Gott"seidank sind solche schlimmen Erkrankungen heute relativ gut behandelbar. Die Erfindung der Neuroleptika war und ist für die betroffenen Menschen ein wahrer Segen.

Wahnerkrankungen waren in religiösen Zusammenhängen immer schon etwas Besonderes. Je nachdem, auf welche Weise Halluzinationen usw. sich zur Ausbeutung im Rahmen religiöser Vorstellungen anboten, konnten wahnhafte Wahrnehmungen entweder als Bestätigung oder als Bedrohung religiöser Weltsichten auftreten. Zum Teil wurde Wahnhaftes sogar systematisch herbeigeführt, etwa durch Drogen. Im Orakel von Delphi verwendete man natürlich vorkommende Gase, die aus der Erde austraten, um der Seherin zu prophetischen Bildern zu verhelfen. Die mexikanischen Brujos (Zauberer) aßen vom "göttlichen" Peyote-Kaktus, der Meskalin enthält, das ähnlich wie LSD wirkt. Systematische Integration des Wahnhaften ist ein sehr altes Verfahren, mit dem Religionen es schaffen, ihre mystische Lehren zu "verifizieren".

Es gibt aber auch die umgekehrte Tendenz, nämlich den "natürlichen" Wahn (durch Krankheit oder Drogen) als Konkurrenz zum eigenen religiösen "Wahn" (mit oder ohne Anführungszeichen?) einzustufen. Wenn ein religiöses Dogma ein gewisses Maß an Differenzierung erreicht hat, wenn es als "ganz genau weiß", wie und wann die Geister aufzutreten haben, wie sie angeblich auszusehen und zu den Menschen zu sprechen haben, dann wird es wahrscheinlich, dass Dogma und real vorkommende Wahnbilder sich widersprechen. Dann wird der "natürliche Wahn" zu einer Bedrohung des Dogmas und muss bekämpft werden. Das heißt aber auch: Die Menschen, die solche unpassenden Wahnbilder produzieren, müssen bekämpft werden.

Beobachtbar ist dies beispielsweise im Katholizismus. Marienerscheinungen, bei denen die erscheinenden Marien dogmatisch angemessen erscheinen, sind willkommen. Aus ihnen kann man einen Bestätigungsevent produzieren. Sollte aber eine Halluzination beispielsweise eine nackte Maria beinhalten, oder einen Heiligen, der sich abwertend über den Papst äußert, dann ist eine Grenze überschritten. Was dann durch die Tür tritt, ist der helle Wahn namens Exorzismus. Auch heute noch werden vom Vatikan Exorzisten ausgebildet. Im Jahre 2003 wurden in Italien um die 200 Priester als Exorzisten gesegnet.

Aufgeklärten Christen ist das Thema Exorzismus gelegentlich peinlich (mit Recht). Aber man sollte bedenken, dass dieser schädliche Unfug fest in der Christenreligion verankert ist. Jesus selbst soll seine öffentlichen Auftritte mit einem Exorzismus (Mk 1,23–39) begonnen haben. Und weiter: „Und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus.” (Mk 1:39) Weiter wird berichtet, wie Jesus einen "Besessenen" traktierte, indem er gleich eine ganze Legion von "Dämonen" austrieb (Mk 5:1–20). Wenn heute also auf solche Praktiken spezialisierte kath. Priester dadurch unangenehm auffallen, dass sie Geisteskranke mit ihrer Religion misshandeln, dann tun sie das, was sie im Idealfall immer tun: Sie eifern ihrem Religionsstifter (und Gott) nach.

Wikipedia über "Exorzismus"
Über den Fall Anneliese Michel

Massenpsychose?

Der soziale Aspekt des "Wahns", die "krank machende Gruppe"...

Der Mensch ist nicht wirklich autonom. Die Religio (=lat. Bindung) ist meistens keine autonome persönliche Entscheidung sondern eine "Einspritzung" durch Familie, Clan, Schule, Dorfgemeinschaft, Staat... Hier ein Ausschnitt aus einer (von mir angeleierten) Forums-Diskussion zum Thema "Ist Religiosität so etwas wie eine Neurose?"

Frage:
Hat religiöser Glaube nicht etwas vom Glauben an Weihnachtsmann / Osterhase / Klapperstorch? Wenn jemand noch als Erwachsener an solche Dinge glaubt, deutet das nicht auf eine geistige Entwicklungsstörung hin? Hat nicht zumindest ein "Intensiv-Glauben" an offenkundig garnicht Existierendes etwas Wahnhaftes? Und liegt nicht in der merkwürdigen Vater-Projektion "Gott" (autoritäre, bipolar-schizoide, huldigungsgeile "Erzieherpersönlichkeit") etwas zutiefst Neurotisches?

Eine Antwort:
"Ich würde es nicht als Neurose bezeichenen, sondern als Massenpsychose. Betrachten wir als Beispiel den Sport, insbesondere den Fußballverein Schalke 04 (nicht dass ich speziell gegen den Verein etwas hätte, aber ich hab einen Bekannten, der ist Schalker mit Leib und Seele): Als Fan von Schalke wird man geboren und erzogen. In gruppendynamischen Prozessen entwickeln sich Kleidung, Verhaltensweisen, Gesänge und rituelle Handlungsweisen. Gegnerische Spieler (besonders vom benachbarten BVB) spielen schlecht und sind unsympathisch. Das allerdings ändert sich schlagartig, wenn sie zu Schalke wechseln, umgekehrt ist es ebenso. Mit Verstand hat das nichts mehr zu tun. Und ich sehe keinen Unterschied, ob einer samstags ins Fußballstadion oder sonntags in die Kirche pilgert. Die Insignien und Lieder unterscheiden sich zwar, dienen aber dem gegenseitigen Erkennen und dem Zusammenhalt. In beiden Fällen wird an den Verein geglaubt. Und so wie jeder Schalker in seinem Innersten weiß, dass auch woanders guter Fußball gespielt wird, so ahnt jeder Gläubige, dass sein Glaube nichts anderes als esoterischer Hokuspokus ist. Aber beiden, dem Fußball-Fan und dem Gläubigen würde ein entscheidender Teil (nämlich der gesellschaftliche) seines Lebens fehlen, wenn ihm sein Fanatismus genommen werden würde. Darin liegt das Geheimnis des Glaubens."

Aber warum dann Massenpsychose? Ist das nicht völlig normal?
Sind nicht viele Menschen außerstande, eine autonome Weltsicht zu entwickeln?
Sind wir nicht alle abhängig von den uns vorgegebenen Traditionen?

Ja, Massenpsychose ist "normaler Wahn". Normal, weil wir daran gewöhnt sind. Daran gewöhnt, dass wir Menschen auch wie Schafe sind... Siehe "Hirten und Schafe"

Menschen sind keine Computer. Menschliche Erkenntnis dient naturgemäß nicht in 1. Linie dem Prinzip Wahrheit sondern dem besseren Überleben. Man mag das als Opportunismus bezeichnen, aber so hat uns die Evolution werden lassen. Erkenntnisbildung geschieht also interessengesteuert. Und das soziale Umfeld gibt zu einem Großteil vor, was das Interesse der Menschen ist. Das Schafherdensyndrom ist ein Element der sozialen Anpassung im Erkenntnisprozess. Nichts Ungewöhnliches, aber natürlich potentiell gefährlich. Es birgt den Keim zu Faschismus, Diktatur, Unterdrückung in sich. Es sagt uns: "Wage es ja nicht, deinen eigenen Verstand zu benützen!"

Bei der Entscheidung pro oder contra religiöser Hokuspokus gerät unser Erkenntnisorgan u. U. in einen schwer lösbaren Konflikt:
  1. Soll es dem direkt spürbaren praktischen Nutzen als dem höchsten Kriterium dienen?
  2. Oder soll es der Wahrheit dienen, die sich ja in der Regel auch als praktisch sehr nützlich herausgestellt hat?
Da kann es dann leicht sein, dass ersteres sagt: "Glaube das, was die anderen glauben, tanze nicht aus der Reihe!" - während letzteres sagt: "Aber das ist ja alles Unfug!" Wie sich jemand entscheidet, ist letztlich eine Frage des Charakters: Es hängt davon ab, ob jemand mehr zum Opportunismus oder zum "Idealismus" (im Sinne des Hochhaltens idealer Werte) neigt.

(Ausgesprochen ängstliche Menschen werden zum opportunistischen Weg tendieren. Und gewachsene Lügner und Betrüger werden ebenfalls nicht plötzlich den Erfolg durch Wahrheit dem direkt spürbaren Nutzen der sozialen Anpassung vorziehen.)
"Gott" als Projektion einer bipolaren / schizoiden Vaterpersönlichkeit  verbunden mit Angst, Desorientierung... (Es dient der Machtausübung.)
Religiöses Glauben als Geisteshaltung mit eingebauter Tendenz zum Wahnhaften
Rolle der autoritären Gewalt beim Herausbilden wahnhaften Glaubens
Das Heilige als Selbstschutz der Neurose gegen (kritische) Analyse des Glaubens