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Religion und Moral / Ethik

Religionen in allen Kulturen sind bestrebt, mit Moral / Ethik identifiziert zu werden, aber...

Die autoritäre Pseudomoral der Religion

Religion, namentlich die christliche, vermittelt eine unechte und unsichere, von primitivem Egoismus getragene "Moralität", und verhindert gleichzeitig die Entwicklung einer echten und stabilen. Die Inhalte religiöser Moralität sind fremdbestimmt und austauschbar, dadurch entsteht ein ideales Mittel zum Missbrauch von Menschen für Machtinteressen.

Die treibende Kraft religiöser Moralität ist nicht eine durch eigene soziale Erfahrung gemachte Einsicht, dass bestimmte Verhaltensmaximen die richtigen seien. Dem religiösen Menschen wird vielmehr von den Dogmengebern vorgeschrieben, dass er sich, um nach dem Tode die ewige Seeligkeit zu besitzen, auf bestimmte Weise zu verhalten habe. Das übliche, von den Religionsfunktionären geförderte moralische Motiv ist nicht etwa die gewonnene Überzeugung, dass das Gutsein seinen Wert in sich selbst trägt. Hier herrscht vielmehr ein primitives Lohn-Straf-Denken, ein naiver Egoismus, der sich in erster Linie um die eigene Heilssicherung kümmert.

Während Moralentwicklung durch soziale Erfahrung und Einsicht dem Entwicklungsstand eines Erwachsenen oder Heranwachsenden entspricht, ist das in Religionen vorherrschende Prinzip ein infantil-autoritäres. Statt um persönliche Entwicklung durch Verstehen geht es hier um Fremdbestimmung durch Strafe und Belohnung. Solcherlei "Moralität" korrumpiert den Menschen, gibt ihm das falsche Motiv, "richtig" zu handeln. ("Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder...")

Einem religiös moralischen Menschen ist nicht zu trauen. Denn eine solchermaßen autoritär erpresste "Moralität" ist nur Scheinmoralität. Sie bricht rasch zusammen, wenn beispielsweise in einem Konflikt zwischen Glaube und Vernunft die Vernunft obsiegt. (Und sei es auch nur die kurzfristig aufflackernde "Vernunft" des frömmelnden Versicherungsvertreters, der seinen Brüdern und Schwestern im Herrn Versicherungsverträge andreht...) Und wo bleibt die Moral, wenn es den religiösen Dogmengebern einfallen sollte, die Inhalte dessen, was gut oder schlecht sei, zu ändern?

Tatsächlich eignet sich solche "Moralität" besonders zum Gebrauch durch allerlei autoritäre Schurken. Diese können die Inhalte der religiösen Hülse interpretieren bzw. auswechseln, wie es zu ihren Interessen passt. ("Du sollst nicht töten", aber: Kreuzzüge, Hexenverfolgungen, ...)

Die infantil-autoritäre Form der "Moralität" verhindert zudem das Heranreifen echter, durch Erfahrung und Einsicht entstehender Moralität. Einerseits geschieht dies durch Ausnützen von Denkfaulheit und genereller Unsicherheit, die zu Heilslehren greifen und deren Vorstellungen von Gut und Böse übernehmen lässt. Häufig wird zudem das heranwachsende Eigene in Religionen als Bedrohung des religiösen Dogmas gewaltsam verfolgt. Dies ist wohl eine notwendige soziale Selbststabilisierungsfunktion aller Ideologiesysteme, ähnlich der Selbst- und Arterhaltung von Organismen. Konkretisiert wird dies auf vielen Ebenen der Ausübung von Herrschaft, etwa auf der Ebene der Dogmenverkünder, die an ihren Machtpositionen hängen, oder auf der Ebene der Erziehung, wenn geistig Heranwachsende den Familienfrieden gefährden, oder auch auf Staatsebene (etwa im Feudalismus)...

Eine Art des Anspruchs auf den Titel "Hüter der Moral" muss man der Religion (also allen Religionen) freilich lassen: Definiert man Moral relativ primitiv als Neigung zum Wohlverhalten in und nach den Regeln einer größeren Gruppe, so gilt:
Da dieses Wohlverhalten regelmäßig von den Machthabern der Gruppe in ihrem Sinne definiert ist, und die Religion diesen Machthabern regelmäßig zur Verfügung steht, ist es nicht verwunderlich, wenn Religion als Mittel zur Aufrechterhaltung der Moral verstanden wird. Die Moral der Truppe ist dann gut, wenn sie bereit ist, (auf Befehl der Machthaber in der Gruppe) wen auch immer zu töten (also eigentlich unmoralisch zu handeln). Bombensegner und Kreuzlegionäre funktionieren so.

Theistische Desorientierung der Moral

Menschliche Moral ist im besten Falle die Quintessenz der Erfahrungen, die Menschen mit anderen Menschen (besser: mit anderen Lebewesen!) in der Praxis des Zusammenlebens erworben haben. Die grundlegenden Regeln der Moral sind in allen Kulturen erstaunlich ähnlich, weil auch das Zusammenleben der Menschen überall ähnliche Strukturen hat. Andererseits gibt es auch in ein und derselben Kultur eine bemerkenswerte Variationsbandbreite, was daraufhin weist, wie empfindlich und von Variablen abhängig das Herausbilden individueller Moral sein muss. Eine differenziert arbeitende, verlässliche, umfassende Moralentwicklung ist eine intelligente Höchstleistung in der Entwicklung des Individuums.

In diesen empfindlichen und anspruchsvollen Prozess hinein bricht die theistische Religion mit ihrer autoritären Gottesprojektion wie der sprichwörtliche Elefant in den Porzellanladen. Wenn in einem Individuum einmal "der Glauben" erfolgreich installiert ist, führt dies zu einer starken Verunsicherung, im Endeffekt zum Auslöschen der normalen menschlichen Moralität. Was nun absolut dominiert, ist der Wille des Allmächtigen, Allwissenden, des universalen Beherrschers. Wer wollte seiner menschlichen Erfahrungsessenz irgendein Gewicht beimessen, falls sie zu anderen Ergebnissen kommen würde als der (angebliche!) Gotteswille?

Daraus resultiert eine starke Desorientierung der autonomen menschlichen Moral. Was für ein mächtiges Werkzeug in der Hand derer, die so auf dem Weg über religiöse Lehren die "moralische Steuerzentrale" vieler Menschen manipulieren oder sogar außer Kraft setzen können! Auf diese Weise, also über die Suggestion eines angeblichen Gotteswillens mit dazugehöriger "Sondermoral" programmiert man Gotteskrieger, Hexenjäger, Inquisitionsbeamte, Feldkaplane, islamistische oder fundamentalchristliche Terroristen. Der Theismus, d. h. die Projektion des Willens der Machthaber in Gottesvorstellung, ist dabei die Quelle des Übels.

Nächstenliebe, Feindesliebe

Innerhalb der Christenreligion wird gerne der Eindruck erweckt, die Nächstenliebe und deren Steigerungsform die Feindesliebe (das individuelle und soziale Verhalten, das eine Situation der Feindschaft durch bewusste Wohltaten für Feinde und den Verzicht auf Gewalt zu überwinden sucht) sei eine Erfindung des legendären Herrn Jesus. (Die meisten erinnern sich aus dem Religionsunterricht an die Sache mit der rechten und der linken Wange - freilich auch an den mit dem Peitscherl im Tempel...). Von guten Christen wird dies gelegentlich für eines der wesentlichen Merkmale des Christentums gehalten. Christliche Friedensbewegungen beziehen sich darauf. Mit der Feindesliebe wird bei nachdenklichen Menschen gepunktet. Tatsächlich ist sie ja auch ein spannendes Prinzip in einer Welt, in der (bedingt durch Gottes weise Fundamentalkonstruktion) ein Lebewesen das andere zu vertilgen droht, oftmals nur um des nackten Überlebens willen.

Nächsten- und Feindesliebe ist jedoch keinesfalls eine christliche Erfindung, und sie ist auch kein Privileg von Religionen. Sie ist ein Element kollektiver, durch Erfahrung im Zusammenleben gewonnener Weisheit. Sie kommt in vielen philosophischen und religiösen Schulen lange vor dem Christentum vor.

Das missionierende Christentum hat gerne seine Heiligtümer auf die von ihm zerstörten Trümmer alter Kulte gesetzt, um sich deren spirituellen Gehalt gewaltsam einzuverleiben. Ähnlich verhält es sich mit Elementen kollektiver Erfahrungsweisheit. Sie wurden den Vorgängern geraubt, diese wurden (mindestens) mundtot gemacht. Und gerade in diesem gewaltsamen missionarischen Verhalten zeigt sich, wie unglaublich verlogen die Christenreligion gerade in Bezug auf das Thema Nächsten- bzw. Feindesliebe war und ist.

Wenn man eine Suchmaschine bemüht, findet man etliche Seiten zum Thema Feindesliebe, z. B. diese. Das Christliche wird hier freilich wieder einmal überbetont...

P. S.: Die Geschichte mit der Austreibung der Händler aus dem Tempel: Da hätte der Jesus doch mal eine Gelegenheit gehabt, seine Feinde zu lieben. Aber nix da, die guten Vorsätze reichen nicht einmal so weit. Das scheint mir sehr kennzeichnend für die ganze Religion. Die schönen Worte taugen in der Wirklichkeit (tatsächliches Auftreten eines "Feindes") nichts. Nicht einmal dem Oberguru.

Endlich kommt noch hinzu, daß der Gott, welcher Nachsicht und Vergebung jeder Schuld, bis zur Feindesliebe, vorschreibt, keine übt, sondern vielmehr ins Gegenteil verfällt ... bis auf jene wenigen Ausnahmen, welche durch Gnadenwahl, man weiß nicht warum, gerettet werden. Diese aber bei Seite gesetzt, kommt es heraus, als hätte der liebe Gott die Welt geschaffen, damit der Teufel sie holen solle; wonach er denn viel besser getan haben würde, es zu unterlassen.

Arthur Schopenhauer, Philosoph 1788-1860


Norbert Rohde zum Thema Nächstenliebe

Sünde

Warum es keine "Sünde" gibt, oder wenn schon, dann eine Sünde des Allmächtigen gegen seine Opfer, die Menschen...

Erlösung unlogisch

"Dass Gott sich selbst schickt, um sich in einem besetzten Land von der Besatzungsmacht hinrichten zu lassen, um uns von etwas zu erlösen, was er selbst über uns verhängt hat, ist für mich mit Sicherheit die merkwürdigste und unlogischste Sage, die ich je gehört habe."

V. Dittmar, Gedankensplitter

Man wird in der Tat ganz dumm im Kopf, wenn man den unechten (durch die angebliche Auferstehung de facto wieder rückgängig gemachten) Opfertod des Jesus verstehen will. Angeblich um die Sünden der Menschen zu tilgen, opfert Gott sich (Dativ) sich selbst (Akkusativ). Er opfert angeblich einen Teil seiner selbst (Sohn) einem anderen Teil seiner selbst (Vater), um damit irgendwie, weiß der Teufel auf welche Weise, deren Sünden zu neutralisieren. Was um Himmels Willen soll das? Welchem äußeren Zwang unterliegt er dabei? Als einigermaßen ernst zu nehmender, allmächtiger Gott hätte er doch einfach vergeben können, ohne diesen komplizierten und widersinnigen Umweg. Für mich ist das alles kompletter Irrsinn. Das Zentrum der christlichen Lehre hat einen riesengroßen Riss für jeden, der sich auch nur ein bisschen damit beschäftigt und nicht einfach frisst, was man ihm reinschiebt. Die christliche Heilslehre ist auf ein kaputtes Fundament gebaut. Vielleicht einfach nur schlecht erfunden? Wenn es sich um ein Filmdrehbuch handeln würde, müsste man es an den Autor zurückgehen lassen. Etwa mit der Bemerkung, dass eine Geschichte mit solch grundlegendem Fehler auch durch weitreichendes Umschreiben nicht zu retten sei.

Das Recht zu verzeihen

Übrigens sehe ich es auch als Unfug an, wenn gesagt wird, dass Gott einem Übeltäter seine Schuld tilgen könne. Eine Vergebung von Schuld kann nur durch den geschehen, der vom Übeltäter geschädigt wurde! Alles andere wäre unlogisch und ungerecht!

Wie soll sich z. B. ein Opfer fühlen, das von einem KZ-Aufseher zu Tode gequält wurde, dann im Himmel demselben begegnet, der sich nun aufgrund göttlichen Schuldenerlasses für unschuldig hält? Das Opfer würde sich zu Recht betrogen fühlen. Nein, zu vergeben oder nicht zu vergeben, ist einzig und allein Sache des Opfers. Eine dritte Person, und sei es ein "Gott", hat sich nicht einzumischen. (Ganz zu schweigen davon, dass ein allmächtiger Gott sich ja selbst schuldig gemacht hätte, so dass allenfalls ihm zu verzeihen wäre!)

Die Akzeptanz solcher Unlogik ist einzig aus den autoritären Machtstrukturen früherer Zeiten (der Entstehungssituation dieser Religion) zu erklären: Wenn ein Potentat sprach, sei es verdammend oder huldvoll verzeihend, dann hatte das Volk eben zu kuschen und nicht etwa irgendwelche eigenen Moralvorstellungen zu entwickeln...

Die christliche Erlösungslehre verbreitet so den Geist der Unlogik und Ungerechtigkeit, der ihr bei der Entstehung seinerzeit mitgegeben wurde. Sie trägt zu einer schädlichen Desorientierung der ethischen Maßstäbe der betroffenen Menschen bei. In einer modernen Gesellschaft, in der es gute juristische Erfindungen wie den Täter-Opfer-Ausgleich gibt, hat sie nichts mehr zu suchen. "Gott sei Dank" haben wir heute bessere Maßstäbe.

Christliche Inhumanität

Die Christenreligion hängt sich gerne ein Mäntelchen von Humanität um. Die katholische Kirche hat eine besondere Art, mit Abweichungen im Menschsein umzugehen. Der neue Vatikan-Ajatollah Benedikt hat im Juni 2005 erklärt, dass homosexuelle Liebe "unwert vor Gott" sei, und überhaupt dürfe sie nicht praktiziert werden. Beipflichtende Leserbriefbeiträge (die sind deutlicher als die gesalbten Worte aus Rom, sie zeigen, wie es "unten" ankommt!) haben mich, was selten vorkommt, zu einem Leserbrief motiviert. Es stimmt: Die 2 zitierten biblischen Anweisungen zur Inhumanität sind aus dem alten Testament. Aber das ist ja immer noch gültiger Teil des Buchs. Wenn es nicht mehr gelten soll, dann müssen die Christen es entfernen. So kann der Christenreligion vorgeworfen werden, dass sie widersprüchliche, mehrdeutige, für jeden (auch barbarischen) Verwendungszweck einsetzbare Anweisungen vorhält. Vermutlich ist das ein Teil des Erfolgskonzepts staatsnaher Religion: Den weltlichen Herrschern und den ihnen zuarbeitenden Priestern genügend "Interpretations-Spielraum" zu lassen. So hat sich die römisch-katholische Christenreligion auch zunehmend mit dem faschistischen römischen Staat arrangiert. Dass die "inhumanen Schweineparagraphen" des alten Testaments unberührt blieben, kann man als vorauseilenden Opportunismus gegenüber dem Staat sehen. Eine besondere Form der Weisheit der Kirchenväter bei der "Schriftwerdung des Gottesworts", die ein Licht auf die Prioritätenrangfolge wirft: Humanität wurde offenbar als nachrangig angesehen.

"Wenn das, was in der Heiligen Schrift steht, den Gläubigen verpflichtet und wenn in der Schrift steht, daß man Ungläubige und Lästerer umbringen soll, dann ist der Gläubige dazu verpflichtet". (Hubert Schleichert)


Hannes Müller, Wurzeln der Gewalt in Bibel und Christentum Mit einem Seitenblick auf Wurzeln der Gewalt im Koran und im tibetischen Buddhismus
Dort z. B. über Martin Luther (Zitate)
(Zwar hier nicht das Thema, aber: Leider auch im tibetischen Buddhismus )