Jiddischer Humor

Die Nazi-Drecksäcke haben neben dem furchtbaren menschlichen Elend, das sie verursacht haben, auch eine wertvolle Facette der deutschen Kultur kaputtgemacht. Zur Kultur hatten und haben die Juden so einiges beizutragen. Auch Witze sind Teil der Kultur und zeigen oft ganz spezifische Merkmale. Hier ein paar Beispiele für jüdischen Witz, an dem mir besonders der Hang zur Selbstironie gefällt...


Telegraphie:


Schüler zum Rabbi: "Rebbe, wie funktioniert a Telegraph?"
Der Rabbi: "Stell dir vor an Stelle des Drahts einen riesenlangen Dackel. Wann du trittst den Dackel hinten, dann heult er vorne."
"Aha. Und was ist drahtlose Telegraphie?"
"Genau dasselbe, aber mer braucht keinen Dackel mehr dazu."

Frei nach Schopenhauer.


Ein Ingenieur kommt in ein Städtchen. Er bestellt sich bei einem jüdischen Schneider eine Hose. Deren Anfertigung verzögert sich aber immer weiter, schließlich reist der Ingenieur ohne die Hose ab.
Sieben Jahre später kommt er wieder einmal in die Stadt. Da bringt ihm der Schneider die inzwischen fertig gestellte Hose. Der Ingenieur kritisiert: "Der liebe Gott hat die ganze Welt in sieben Tagen erschaffen - und Ihr braucht für eine Hose sieben Jahre?"
Der Schneider, zärtlich die Falten der Hose glättend:
"Ja, aber seht Euch an die Welt, und bitte: seht Euch an die Hose!"

Was ist Chuzpe (Frechheit)?


Wenn einer seine beiden Eltern umbringt und dann im Schlusswort des Angeklagten im Mordprozess um milderne Umstände bittet, weil er elternloser Waise ist. Das ist Chuzpe.

Beweise (theologische)

(#1)

Ein Chasside erzählt: "Einmal ist unser Rebbe (Rabbi) in den Fluss gefallen. Schwimmen konnt' er nicht, und das Wasser war drei Meter tief. Zum Glück hatte er aber zwei Salzheringe in der Tasche, die nahm er in die Hand, sprach a Gebet, sie wurden lebendig, er hielt sich an ihnen fest, und sie zogen ihn zum Ufer."
Ein Schüler zweifelnd: "Das glaube ich nicht. Wie kannst Du das beweisen?"
Der Chasside: "Du siehst doch selber: unser Rebbe lebt!"

(#2)

Chasside: "Unser Rabbi spricht mit Gott selbst."
Zweifler: "Das ist doch nicht wahr!"
Chasside: "Doch. Würde Gott etwa mit einem Lügner sprechen?"

Menschlichkeit

Ein gelangweilter SS-Kommandant bietet einem Juden folgendes an: "Wenn du mir sagen kannst, welches meiner beiden Augen aus Glas ist, lasse ich dich laufen."
Der Jude, ohne zu zögern: "Das linke."
Der SS-Kommandant: "Richtig! Aber wie hast du das so schnell herausgefunden?"
Der Jude: "Es hat mich so menschlich angeschaut."

Erleichterung

Teitelbaum wird auf der Landstraße von der Polizei angehalten.
Polizist: "Haben Sie das nicht bemerkt: Vor fünf Kilometern ist Ihre Frau aus dem Auto gefallen!"
Teitelbaum: "Der Herr sei gepriesen, ich dachte schon, ich sei taub geworden..."

Wozu eigentlich?

Am Schabbes (Sabbath) durften fromme Juden keinerlei Arbeit verrichten. Das galt auch für notwendige Verrichtungen, wie z. B. in der kalten Jahreszeit das Nachlegen von Brennmaterial ("Schabbes-Klotz"), damit der Ofen nicht ausging. Also ließ man sich dies von einem Nichtjuden besorgen, den man "Schabbes-Goy" nannte (Mehrzahl: "Schabbes-Goyem", "Goy" ist jiddisch für einen Nichtjuden.) In reichen Häusern wurden diese Helfer bezahlt, arme Juden baten schon mal ihre nichtjüdischen Nachbarn um Hilfe.

Ein Jude, der sein ganzes bisheriges Leben im Schtetl, also nur unter Juden verbracht hatte, sah eines Tages einen unausweichlichen Grund, doch einen Besuch in der naheliegenden Großstadt zu machen. Dort ging er zusammen mit seinem Vetter spazieren. Nach einiger Zeit des Schweigens platzte es aus ihm hervor: "Sag mir, Vetter, wozu eigentlich braucht ihr in der Stadt so viele Schabbes-Goyem?"

Gespräche mit dem Jenseits

Frau Pitzel bearbeitet ihren Mann Milton, er solle mit ihr zu einer Seance bei Madame Freda, einer echten Bostoner Zigeunerin gehen. "Milty, für nur 20 Dollars kannst du mit Zayde, deinem geliebten Großvater reden, den du doch so sehr vermisst."
Er kann ihrem Charme nicht widerstehen, und bei der nächsten Seance sitzt er mit in der Runde um einen großen Tisch, Schummerlicht, alle halten sich an den Händen und summen "Omm, omm, tonka omm."
Madame Freda bewegt ihre Hände über der Kristallkugel und erhält auch prompt eine Vision: "Wer ist das, der zu mir spricht, wer? Milton Pitzels Zayde?
Milton überwindet seinen ersten Schrecken und ruft: "Großvater, bist du es wirklich? Bist du selig dort drüben?"
Eine dünne, weit entfernt klingende Stimme antwortet: "Ja, Milteleh, ich bin in der Seligkeit. Wir lachen und singen den ganzen Tag. Immerfort erblicken wir das leuchtende Antlitz des Herrn!"
Milton stellt ihm eine Frage nach der anderen, bis der liebe Jenseitige schließlich zu ermüden beginnt und ihm bedeutet, dass er jetzt gehen müsse, weil ihn die Engel rufen. "Also Milteleh, eine kurze Frage kannst du mir noch stellen."
"Zayde," seufzt Milty, "eine Frage noch: wann hast du eigentlich Englisch gelernt?"

Dialog zwischen Gott und Moses auf dem Berg Sinai

Gott: Und denk dran, Moses, ein wichtiges Gebot für koscheres Essen ist: Koche nie ein Kalb in der Milch seiner Mutter. Das wäre grausam!
Moses: Aha, du sagst also, dass wir niemals Milch und Fleisch zusammen essen sollen...
Gott: Nein, was ich sage ist: Koche nie ein Kalb in der Milch seiner Mutter.
Moses: Oh Herr, vergib mir mein Unwissen! Was du wirklich sagen willst, ist, dass wir mindestens sechs Stunden nach dem Verzehr von Fleisch warten sollen, bevor wir Milch trinken, damit sich Fleisch und Milch nicht im Magen vermischen...
Gott: Nein, was ich sage ist: Koche nie ein Kalb in der Milch seiner Mutter.
Moses: Oh mein Gott, bitte schlage mich nicht mit deinem Zorn, ich bin doch so dumm! Du willst also, dass wir für Milch und Fleisch getrenntes Geschirr verwenden. Und wenn wir dabei einen Fehler machen, sollen wir das Geschirr in einem Loch vergraben...
Gott: Ach Moses, zum Teufel mit euch, - macht' doch einfach was ihr wollt...

Frag mein Pferd!

Der Itzig reitet auf seinem Pferd daher. Ein Bekannter sieht ihn und fragt: "Itzig, wo willst du hin auf deinem Ross?" Itzig: "Was weiß ich, frag mein Pferd!"

(Irgendwo bei S. Freud, als Illustration der "leitenden Funktion" des Unbewussten)

Literaturempfehlung:
Salcia Landmann (ausgewählt und eingeleitet von), Jüdische Witze. dtv 1963.